Christliche Mystik (5/2015)
Söding, Thomas
In Burgund wird geschuftet: Ein Mann, durch seine Kleidung und sein Schuhwerk als Diener gekennzeichnet, schüttet einen schweren Sack voller Korn in eine Getreidemühle, ein anderer, der die Tunika eines römischen Bürgers trägt und barfuß ist, hält einen Sack darunter und fängt das Mehl auf. Diese Szene aus dem bäuerlichen Arbeitsleben wird an einem hochheiligen Ort dargestellt: Es ist eine romanische Skulptur an einem der 99 Kapitelle im Schiff der Kirche von Sainte-Marie-Madeleine in Vézelay.
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Söding, Thomas
1930 erscheint von Albert Schweitzer «Die Mystik des Apostels Paulus». Es ist das Buch eines Widerstandes gegen die damals herrschende und immer noch populäre These, Paulus habe die einfache Lehre Jesu verraten und an deren Stelle ein komplexes Gedankengebäude errichtet, das mehr den Geist des Hellenismus als der Bibel atme. Schweitzer, inzwischen bereits der berühmte Urwaldarzt von Lambarene, stellt Paulus entschieden auf die Seite Jesu; der Apostel habe die Reich-Gottes-Botschaft Jesu nicht verfälscht, sondern im Licht der Auferstehung für die Christuserfahrung aufgeschlossen und damit für alle Zeit aktualisiert.
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Roesner, Martina
Wohl kaum ein Vertreter der mittelalterlichen Mystik hat auf seine Zeitgenossen wie auch auf seine Nachwelt eine größere Faszination ausgeübt als Meister Eckhart. Dieser Umstand ist umso bemerkenswerter, als bis heute die Frage umstritten ist, ob und in welchem Sinne er überhaupt als Mystiker bezeichnet werden kann. In den letzten Jahrzehnten ist es der Eckhart-Forschung gelungen, die Wiederaneignung seines deutschen und lateinischen Schriftwerks in philologischer, philosophisch-theologischer und frömmigkeitsgeschichtlicher Hinsicht auf ein solides wissenschaftliches Fundament zu stellen.
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Schlosser, Marianne
In der lateinischen Bibel kommt das Nomen «contemplatio» nicht ein einziges Mal vor. Das Verb «contemplari» erscheint zwar dreißigmal, davon zweimal im Neuen Testament; aber der Begriff hat keine besondere religiöse Bedeutung, er meint soviel wie: «genau hinschauen», «intensiv beobachten». Mit einer einzigen Ausnahme 2Kor 4, 18: «Wir machen unseren Blick nicht an dem fest, was man sieht. Das Sichtbare ist zeitlich, das Unsichtbare ewig».
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Splett, Jörg
Charles Péguy, 1873 zu Orléans geboren, Sohn eines frühverstorbenen Schreiners und einer Stuhlflechterin, die ihn überlebt hat, verbindet von früh auf das scheinbar Unverträgliche: er lernt mit gleicher Inbrunst den Katechismus und die Lehren seiner laizistischen, antiklerikalen Schulmeister; er bleibt zeitlebens Vertreter des armen Volkes, der anonymen Rasse, wird aber in der École Normale ein ausgesprochener Humanist und Gebildeter.
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Gerl-Falkovitz, Hanna-Barbara
Im Anschluss an den bekannten Mystik-Forscher Alois M. Haas lassen sich zwei große methodische Ansätze der Mystik-Forschung unterscheiden: der perennialistische und der kontextualistische Ansatz. Perennialismus abgeleitet von perennis = die Zeit übergreifend setzt voraus, Erfahrungen von Mystikern quer durch Zeiten und Kulturen seien unmittelbar auf einen gemeinsamen Inhalt bezogen und von dorther vergleichbar, aufgrund «einer transkulturellen, homogenen, mit einer kleinen Anzahl von Kernbestimmungen ausgestatteten transzendenten Erfahrung».
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Schneider, Michael
Die Feier der Eucharistie ist nach Aussage des II. Vatikanums der «Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt» und die «Quelle, aus der all ihre Kraft strömt». Vom Vollzug her («per executionem») gilt die Taufe als das erste und ursprüngliche Sakrament der Kirche, doch als solche ist sie («per intentionem») wie alle anderen Sakramente auf die Eucharistie ausgerichtet: «Wenn die Kirche ihr Kirche-Werden der Taufe verdankt, so ihr Kirche-Bleiben dem Herrenmahl.»
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Benke, Christoph
Nein, es ist keine Mariologie im Sinne des klassischen schultheologischen Traktates, die der emeritierte Freiburger Dogmatiker in seinem Alterswerk («mit Sicherheit mein letztes größeres theologisches Werk», 15) präsentiert. Intendiert ist mehr, nämlich eine «marianisch grundierte Theologie und Kirchenpraxis» überhaupt. Muss dies eigens herausgestellt werden, wo doch Maria, abgesehen vom Kreuz, immer noch «das wohl verbreitetste Symbol der Christenheit» (111) ist?
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Geck, Philip
Ein Buch, das «Der Tod und das Leben danach» heißt und aus der Feder eines analytischen Philosophen stammt, ist an sich schon reizvoll. Sein Autor, Samuel Scheffler, traut sich an die großen Fragen heran, ganz in der Tradition seines Lehrers Thomas Nagel. Doch er rudert gleich auf den ersten Seiten seines Essay zurück: Nicht wie der Einzelne nach dem Tod weiterlebt interessiert ihn, er glaubt auch gar nicht an eine solche Möglichkeit.
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