Christus und die Zeit (6/2016)
Henrici, Peter
So lautet das erste der vier sozialethischen Prinzipien, die Papst Franziskus in seinem Schreiben Evangelii gaudium für den «Aufbau eines Volkes in Frieden, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit» (Nr. 221) aufstellt. Es führe dazu, eher «Prozesse in Gang zu bringen anstatt Räume zu besetzen» (Nr. 223). Das Prinzip ist dem Papst so wichtig, dass er es auch in seinen anderen großen Schreiben, Laudato si (Nr. 178) und Amoris laetitia (Nr. 261) ausdrücklich erwähnt.
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Backhaus, Knut
Das erste und das letzte Wort des Neuen Testaments lautet: Wir haben keine Zeit, nur Frist. Nicht geschenkt ist unser Leben, nur gestundet. Das erste Wort hat Johannes der Täufer: «Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt!» (Mt 3, 10) Das letzte Wort hat der Seher Johannes: «Ich komme sehr bald! Ja! Komm, Herr Jesus!» (Offb 22, 20)
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Tück, Jan-Heiner
Der Mensch ist nach einer bekannten Wendung Nietzsches das «nicht festgestellte Tier»2. Er ist nicht determiniert, nicht instinktgesteuert, nicht in fixe Reiz-Reaktions-Schemata eingebunden. Er kann sich bei aller Eingebundenheit in biologische Vorgaben zu allem verhalten. Das gilt auch für die Zeit. Jeder Mensch verhält sich zu der Geschichte, aus der er stammt, verhält sich zu dem, was ihm begegnet, und verhält sich zu dem, was auf ihn zukommt.
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Hoping, Helmut
Zum Leben Gottes gehört seine Ewigkeit. Der metaphysische Theismus hat diese mehr oder weniger streng als Zeitlosigkeit, als Negation von Zeit verstanden. Die Aporien, die damit verbunden sind, traten in der Krise des metaphysischen Gottesgedankens deutlich zu Tage. Ein zeitlos existierender Gott wäre ein radikal transzendenter Gott und nicht der Gott, der seiner Schöpfung gegenwärtig ist, der sich als geschichtsmächtig erweist und in Jesus von Nazareth Mensch geworden ist. Die moderne Theologie hat sich um eine der christlichen Offenbarung angemessenere Bestimmung des Verhältnisses von Ewigkeit und Zeit bemüht. Karl Barth forderte, den theologischen Begriff der Ewigkeit Gottes «aus der babylonischen Gefangenschaft des abstrakten Gegensatzes zum Zeitbegriff» zu befreien.
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Stoll, Christian
Die Rede vom «eschatologischen Vorbehalt» ist in der Theologie weit verbreitet. Das gilt für den deutschen Sprachraum ebenso wie für den romanischen («riserva escatolgica», «réserve eschatologique» etc.) und den englischen («eschatological proviso»). Meist begegnet er in Darstellungen zur neutestamentlichen Eschatologie oder im Umfeld der Debatte um eine politische Theologie. Häufig ist er mit einer anderen weit verbreiteten Redeweise verknüpft: Der eschatologische Vorbehalt bezeichnet dann ein «Spannungsverhältnis», das dadurch zustande kommt, dass das Eschaton durch Jesus Christus und die neutestamentliche Heilsbotschaft «schon» angebrochen ist, aber bis zu seiner Wiederkunft «noch nicht» voll verwirklicht ist.1
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Henrici, Peter
Jeder Mensch hat seine eigene Zeit. Er hat seine Erinnerungen, die niemand so haben kann wie er. Er ist geworden in und aus einer Vergangenheit, die ihn geprägt hat, in ihm ihre geistigen und körperlichen Spuren hinterließ. Man muss geradezu sagen: Jeder Mensch ist seine Vergangenheit, unverwechselbar, unwiederholbar. Diese Vergangenheit haben viele andere Menschen und vielfältige Ereignisse mitgeprägt und mitgestaltet: In erster Linie Eltern, Geschwister, Lehrer, Kollegen und schließlich, mehr oder weniger einschneidend, das ganze Gewebe der Zeitgeschichte.
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Maier, Hans
Ein Fundament des modernen Verfassungsstaates hängt deutlich mit christlichen Überlieferungen zusammen: das Gefühl für den Wert der Zeit, ihre Unwiederbringlichkeit und Unwiederholbarkeit und das daraus erwachsende «responsible government», die Wahrnehmung politischer Aufgaben in festen, kontrollierbaren Verantwortungszeiten und -räumen. Es hat sich dem westlichen Menschen in Jahrhunderten christlicher Erziehung tief eingeprägt, dass die Zeit eine Frist ist, begrenzt und kostbar, und dass sie unaufhaltsam voranschreitet, dem Ende zu.
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Mayer, Tobias
Der Erzähler Christoph Ransmayr ist ein Erkunder der terra incognita. Seine Geschichten stammen aus geographischen und zeitlichen Unbekanntheitszonen, sind aber nicht selten verwoben mit historischen Ereignissen und Personen. So auch in Cox oder der Lauf der Zeit, dem neuen Buch von Ransmayr, das seine Leser tief ins vormoderne China eintauchen lässt.2 Der britische Uhrmacher James Cox, für seine fantastischen Automaten und Zeitmesser weithin bekannt, konstruierte Mitte des 18. Jahrhunderts eine barometrische, von Schwankungen des Luftdrucks angetriebene Uhr, die den Erfindertraum des perpetuum mobile verfolgt.
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Lewitscharoff, Sibylle
Das Streben nach Wahrheit leitete Martin Luther, zugleich besaß er eine Wahrheitsgewißheit und dadurch ein starkes Selbstvertrauen, welches immer die Gefahr birgt, an Selbstüberschätzung und Sturheit zu leiden. Und wahrlich, stur war der Kerl. Kein Kompromißkandidat. Er brüstete sich gern damit, niemals geheuchelt zu haben. Die Heuchelei war damals ein charakterbezeichnendes Wort stärkster Prägung, das höher im Negativkurs stand als heutigentags. Der Heuchler war ein Kandidat für die Hölle.
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Schmid, Konrad
Christentum ohne Altes Testament? Das ist eine Frage, die etwas Verwegenes, ja Abseitiges hat, aber offenbar doch nicht so absurd ist, als dass sie nicht gestellt werden könnte oder das möchte ich hier gleich zu Beginn betonen nicht gestellt werden dürfte. Das Christentum hat sich seit dem 2. Jh. n.Chr. auf die Philosophie, auf die Wissenschaft eingelassen und es hat wie keine andere Religion Theologie ausgebildet, die dem kritischen Denken und auch dem Hinterfragen von Selbstverständlichkeiten verpflichtet ist.
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen
Tück, Jan-Heiner
Der 31. Oktober 1517 ist das Datum, an dem der Wittenberger Bibelprofessor Martin Luther seine berühmten Ablassthesen veröffentlicht hat. Luther wollte keine neue Kirche gründen, sondern Missstände offenlegen und die bestehende Kirche reformieren. Das können im Zeitalter der ökumenischen Verständigung auch katholische Theologen anerkennen. Das Bild von Luther als dem Erzketzer, der die abendländische Kirchenspaltung verursacht hat, ist einer differenzierten Wahrnehmung gewichen, längst haben manche seiner Erneuerungsimpulse auch in der katholischen Kirche Eingang gefunden.
Zum Artikel | Artikel kostenpflichtig bestellen