Gottesfriede und Weltfriede (2/2018)
Maier, Hans
Friede ist kein Naturprodukt. Er muss von Menschen geschaffen, «gestiftet» werden. Auch die Bergpredigt spricht von den «Friedensmachern» (pacifici). Dabei spielt die Zweiheit von «innen» und «außen» eine wichtige Rolle. Im Inneren organisierter Gesellschaften entstehen seit Urzeiten immer wieder homogene Friedensräume, in denen Gewalt tabuisiert ist, die Selbsthilfe durch Gericht und Polizei ersetzt wird, während nach außen, gegenüber anderen politischen Gebilden, Gewaltübung als mögliche Option weiterbesteht, freilich durch Verträge und Abmachungen eingeschränkt werden kann.
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Söding, Thomas
Die Seligpreisungen der Bergpredigt sind ein Selbstportrait Jesu; er drückt ihnen seinen Stempel auf; er verifiziert sie durch sein Leben, sein Sterben und seine Auferstehung. So hat der Evangelist Matthäus seinen Jesus gesehen, der mit den Seligpreisungen die Bergpredigt beginnen lässt, seine erste große Rede (Mt 5, 3-12). Als Wort Jesu sind die Seligpreisungen ein Wegweiser für die Jünger in der Nachfolge; sie sind ein Zeichen der Hoffnung mitten in einer Welt des Todes; sie sind eine Ermutigung, neu zu leben, weil Gott das Leben erneuert.
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Brachtendorf, Johannes
Für Augustinus ist Frieden nicht nur ein ethischer und politischer, sondern auch ein metaphysischer Begriff. Die metaphysische Bedeutung fundiert in mancher Hinsicht die anderen Dimensionen des Begriffs, so dass sie vorab umrissen werden soll.
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Fisch, Jörg
Die Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg hat ein Vokabular entwickelt, mit dessen Hilfe der Umgang mit der Geschichte eines - meistens als Krieg bezeichneten - bewaffneten Konflikts behandelt werden soll. Es geht dabei insbesondere um die Bewältigung des Geschehenen, in der Form der Vergangenheitsbewältigung oder der Aufarbeitung. Diese wiederum verweist auf die für solche Prozesse erforderliche Arbeit, in Analogie etwa zu bürokratischen Vorgängen einer Sachbearbeitung, während die Vergangenheitsbewältigung an das im bewaffneten Konflikt notwendig enthaltene Element der Gewalt erinnert: Die Bewältigung verweist auf die Überwältigung. Dabei erfolgt ein doppelter Prozess.
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Ernesti, Jörg
Einem Jugendfreund aus gemeinsamen Genueser Studientagen vertraute sich Benedikt XV. im Sommer 1915 an: Er tue alles ihm Mögliche, um die Menschen zu versöhnen, «aber die Katholiken, die auf mich hören müssten, fühlen sich eher als Belgier, Deutsche, Österreicher usw., als dass sie sich als Katholiken fühlen.»1 Mit diesen Worten ist das ganze Dilemma umschrieben, das das Wirken des «Friedenspapstes» im Ersten Weltkrieg kennzeichnet.
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Maier, Hans
Der Kriegsbegriff, früher scharf umrissen, wird undeutlich in der Gegenwart. Das hängt mit Veränderungen in der äußeren Erscheinung des Krieges zusammen. Wir erleben heute die bekannte «Enthegung» des Krieges - nachdem sich frühere Jahrhunderte vor allem um seine «Einhegung» (und das heißt zugleich: um seine begriffliche Abgrenzung) bemüht hatten. Der Krieg hebt sich inzwischen vom Frieden nicht mehr mit der früheren Unzweideutigkeit ab. In diffusen Formen dringt er in die Normalität, den Alltag ein. An vielen Stellen verschwimmen die Grenzen zwischen Krieg und Zivilität; hybride Formen eines Halbfriedens oder Halbkriegs entwickeln sich und gewinnen an Boden. Sehr verkürzt gesagt: Krieg ist heute längst nicht mehr allein der überlieferte Krieg zwischen Staaten. An vielen Orten hat er die Uniform ausgezogen, ist er dabei, sich von der Figur des Soldaten zu lösen.
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Gassmann, Michael
Zweimal hat Ludwig van Beethoven das Ordinarium Missae vertont, doch zwischen beiden Werken liegen Welten. Mit seiner C-Dur-Messe von 1807 stellte sich Beethoven klar in eine bestimmte liturgische Tradition: Die Messe war für den gottesdienstlichen Gebrauch des Fürsten Esterhazy, konkret für die Messfeier zum Namenstag (8. September) der Fürstin Maria Josepha Hermengilde bestimmt. Beethoven setzte mit ihr die Reihe der großen Hochämter fort, die Joseph Haydn für denselben Auftraggeber und Anlass geschrieben hatte: Paukenmesse (1796), Heiligmesse (1796), Nelsonmesse, (1798), Theresienmesse (1799), Schöpfungsmesse (1801), Harmoniemesse (1802). Beethoven folgt in seiner C-Dur-Messe dem Haydnschen Muster in Umfang und Besetzung.
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Schmidinger, Heinrich
Wem es geschenkt ist, neunzig Jahre alt zu werden, und dies bei geistiger Frische, dem ist ebenso gegönnt, eine Ernte eingebracht zu haben. Bei Peter Henrici SJ, dem emeritierten Weihbischof der Diözese Chur und ehemaligen Professor für Philosophie an der Pontificia Università Gregoriana in Rom, darf von einer reichen Ernte gesprochen werden - nicht allein hinsichtlich der langen Dauer, in der sie immer wieder reifen konnte, sondern aufgrund ihrer allseits anerkannten Güte. Diese Ernte ist schon mehrfach dargestellt und gewürdigt worden, ganz besonders in der 1998, zum 70. Geburtstag, erschienenen Festschrift «Kirche Kultur Kommunikation». Trotzdem lässt sie sich nicht oft genug wiegen, ist sie doch in vielfacher Hinsicht eine ganz besondere, die alle Beachtung verdient.
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Löser, Werner
Eines der in der gegenwärtigen kirchlichen Diskussion am häufigsten und eindringlichsten diskutierten Themen gilt der Stellung der Frau: es sei an der Zeit, in der katholischen Kirche endlich nachzuholen, was sich in den modernen Gesellschaften zumindest anfänglich schon durchgesetzt habe. Denn dort wisse man inzwischen um die Gleichberechtigung der Frau und öffne ihr Schritt für Schritt die Türen auch in die Bereiche, die bislang gewöhnlich Männern vorbehalten waren. Dabei gehe es vor allem um die Übertragung und dann Wahrnehmung von entscheidungsrelevanten Kompetenzen in der Politik und in der Wirtschaft. Von daher ist heute der Ruf nach der Öffnung der kirchlichen Ämter für die Frauen auch im Raum der katholischen Kirche deutlich vernehmbar. Die evangelischen Kirchen seien auf diesem Wege schon einige Schritte weiter.
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Schaffrick, Matthias
«Werden Sie noch etwas schreiben?», wird der emeritierte Papst Benedikt XVI. von Peter Seewald fast beiläufig im Rahmen der Letzten Gespräche (2016) gefragt. «Nein! Nein, nein, nach Weihnachten wusste ich, das ist Nunc dimittis, ich habe mein Werk getan.»1 Das im vergangenen Jahr erschienene Buch mit dem bemerkenswert endgültigen Titel wurde nach seinem Erscheinen viel diskutiert und kommentiert. Diese Stelle allerdings überliest man leicht, obwohl sie eine der entscheidenden des gesamten Interviews darstellt. Immerhin zieht die Antwort Benedikts einen Strich unter das Schaffen eines überaus produktiven Autors, dessen Gesammelte Schriften (JRGS) in 16 Bänden erscheinen. «[I]ch habe mein Werk getan.» Diese Aussage verdeutlicht zugleich, wie eng der Verzicht auf das Schreiben mit dem Verzicht auf das Amt des Papstes um genau zu sein: auf seine aktive Ausübung - verknüpft ist. Mit seinem Rücktritt zieht sich Benedikt aus der Öffentlichkeit zurück, er «entweltlicht» sich selbst, das Amt und seine Autorschaft zugleich. Das Werk dieses Autors und Papstes ist damit vollbracht.
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Weißenborn, Theodor
In Absatz 6.522 des Tractatus - so aktuell wie je - schreibt Wittgenstein: «Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische.» Ist wirklich Unaussprechliches gemeint? Also etwas, das nicht ausgesprochen werden darf, das tabu ist wie die Unaussprechlichen, nämlich die Beinkleider einer Dame im Viktorianischen England? Oder ist vielmehr Unaussprechbares oder Unsagbares gemeint, mithin etwas, das nicht ausgesprochen werden kann? (Die Endsilbe bar eines verneinten Adjektivs drückt, auch in dessen Substantivierung, kein Verbot, sondern eine Unmöglichkeit aus, was - nebenbei - die Väter und Mütter des Grundgesetzes nicht wussten, als sie mangels Beherrschung der deutschen Sprache fälschlicherweise behaupteten, die Würde des Menschen sei unantastbar.)
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Tück, Jan-Heiner
Aufmerksame Leser der Heiligen Schrift werden sie kennen, die Stadt Sardes. In der Apokalypse des Johannes ist eines der sieben Sendschreiben an die Handelsstadt in Kleinasien gerichtet (vgl. Offb 3, 16). Es ist ein eindringlicher Aufruf zu Umkehr und Wachsamkeit. Die ehemalige Hauptstadt der Provinz Lydien, die im 14. Jahrhundert verödet ist und heute in der Türkei liegt, ist mit dem Namen eines Bischofs und Theologen verbunden, der im 2. Jahrhundert zu den führenden Köpfen des sich ausbreitenden Christentums zählte und Verfasser der ältesten Osterhomilie ist: Melito von Sardes. Aus fragmentarischen Notizen, die Eusebius von Cäsarea in seiner Kirchengeschichte mitteilt, geht hervor, dass Melito eigens nach Palästina gereist ist, um die heiligen Stätten in Augenschein zu nehmen und dort eine Liste der kanonischen Schriften des Alten Testaments zu erstellen.1
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Mayer, Tobias
Es ist Sommer 1791. Die Klagenfurterin Maria von Herbert, an einer unglücklichen Liebe verzweifelnd, schreibt einen Brief, den sie nach Königsberg schicken wird: Zu dir rufe ich wie ein gläubiger zu seinen Gott um Hilf, um Trost, oder um Bescheid zum Tod [...] wen ich nicht schon so viel von ihnen gelesen hätte, so häte ich mein leben gewis schon mit gewalt geändet, so aber haltet mich der schlus zurük den ich aus ihrer Tehorie ziehen muste [...] nun sezen sie sich in meine lag und geben sie mir trost oder verdamung, metaphisik der Sitten hab ich gelesen samt den Kategorischen imperatif, hilft mir nichts, meine vernunft verlast mich wo ich sie am besten brauch. Die daraufhin eintreffenden Antworten genügen ihr in keiner Weise. Maria von Herbert bricht also zu einem Besuch bei dem Königsberger Philosophen auf.
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