Balthasar im Gespräch (4/2019)
Tück, Jan-Heiner
Der Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar (1905-1988) gehört zu den bedeutendsten katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Sein Werk, das neben pointierten Kleinschriften und gelehrten Monographien auch die weit ausgreifende Trilogie einer Theo-Ästhetik, Theodramatik und Theologik umfasst, hat in unterschiedlichen Gesprächskonstellationen Gestalt angenommen. Der Autor selbst hat darüber wiederholt Rechenschaft abgelegt.
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Moga, Ioan
In der umfangreichen Balthasar-Forschung spielen sowohl Patristik als auch Moderne eine eher marginale und von Ambivalenzen geprägte Rolle. Unter den Stichwörtern «Kirchenväter» und «Väterinspiration» ließe sich durch die Beiträge von Werner Löser und Charles Kannengiesser die allgemein bekannte Ansicht bekräftigen, dass Balthasar im deutschsprachigen Raum der Theologe des 20. Jh. schlechthin war, der die Theologie der griechischen Kirchenväter in den modernen systematischen Diskurs eingebracht und fruchtbar gemacht hat. Vor allem die Monographie über Maximus Confessor bleibt ein Referenzpunkt und wird als Emblem für die tiefe Verankerung Balthasars im (ostkirchlichen) patristischen Denken immer wieder angeführt.
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Archivalie
Zwar habe ich vor Jahrzenten schon als Student noch die Schweiz verlassen, um in Jerusalem, New York und dann in Berlin zu lehren, aber ich habe den Kontakt zur jüdischen Gemeinde Zürichs nie ganz verloren. Der Besuch der Gräber allein schon bindet mich an diese Stadt und diese Gemeinschaft. Wenn auf Schweizerboden, so lese ich das Israelitische Wochenblatt als Gradmesser des gängigen jüdischen Bewusstseins - mit Aufmerksamkeit und, ich gestehe es freimütig, in den letzten Jahren mit wachsender Besorgnis. Denn lässt es sich leugnen, dass trotz der ökonomischen Hochblüte der Schweizer Juden eine geistige Stagnation festzustellen ist?
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Kopp-Oberstebrink, Herbert
«Wenn ich eine Summe meiner 'Schweizer' Jahre ziehe, wo ich 'aufwuchs' - so gab's keinen, der so freizügig vergeblich (und doch nicht umsonst) seine Gaben (Charismea) und Zeit (Kairos) an andere, auch an mich, verschenkte wie Sie. Darum bin ich von Herzen dankbar, dies einmal - wenn auch in verzerrter Konstellation - bezeugen zu dürfen.» Der hohe, anerkennungsvolle Ton im letzten erhaltenen Schreiben des Berliner Religionsphilosophen Jacob Taubes (1923-1987) an Hans Urs von Balthasar vom 25. Oktober 1977 rührt von einer Haltung her, die man bei Taubes zu erwarten nicht eben gewohnt ist: Seine Zeilen erscheinen als ein Dokument der Dankbarkeit und der Treue. Die Briefstelle bilanziert im Abriss ein intellektuelles Leben, dessen Anfänge in Zürich liegen, wo Taubes das Studium der Philosophie 1947 mit der Dissertation Abendländische Eschatologie abschloss.
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Schmidt, Christoph
In dem Dialog zwischen Martin Buber und Hans Urs von Balthasar geht es zentral um die Frage nach dem Wesen des Messias und seine gegenläufige Interpretation in Judentum und Christentum. Es geht um die messianische Differenz. Buber hatte in seiner Untersuchung über die zwei Glaubensweisen1 von 1950 zwischen dem dialogischen Glauben «von» dem jüdisch-hebräischen Menschen Jesus, der das herrschaftsfreie Reich Gottes hier und jetzt errichtet, und dem griechischen Glauben des Paulus «an» den auferstandenen göttlichen Christus unterschieden, von dem aus der Apostel faktisch eine politische Theologie der kirchlichen und staatlichen Herrschaft begründet habe.
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Strukelj, Anton
Als Hans Urs von Balthasar am 12. August 1905 in Luzern das Licht der Welt erblickte, stand Romano Guardini bereits in einer schweren Lebenskrise. Nach dem Abitur im August 1903 in Mainz studierte Guardini zunächst zwei Semester Chemie in Tübingen, drei Semester Nationalökonomie in München (1904) und Berlin, um dann im Sommersemester 1906 mit dem Theologiestudium in Freiburg i. Br. zu beginnen, das er vom Wintersemester 1906/07 ab in Tübingen fortsetzte. Im Oktober 1908 trat er ins Mainzer Priesterseminar ein und empfing am 28. Mai 1910 die Priesterweihe.
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Dahlke, Benjamin
Von den zahlreichen theologischen Entwürfen, die im Lauf des 20. Jahrhunderts vorgelegt wurden, bestimmen einige den Diskurs bis heute. Das gilt etwa für die Entwürfe von Karl Barth (1886-1968) und Hans Urs von Balthasar (1905-1988).1 Bemerkenswerterweise kannten sich der Protestant und der Katholik gut, ja sie standen lange Zeit in engem Austausch.2 Fachliches und Persönliches griffen dabei ineinander, diskutierten die beiden Schweizer doch nicht nur Glaubensfragen, sondern hörten über Stunden hinweg zusammen Schallplatten, bevorzugt Mozart-Einspielungen. Allerdings ginge es zu weit, von einer regelrechten Freundschaft zu sprechen. Nur bedingt lässt sich das auf den erheblichen Altersunterschied zurückführen, der zwischen ihnen bestand. Vielmehr war ihr Verhältnis von Anfang an asymmetrisch: Balthasar suchte den Austausch mit dem reformierten Universitätsprofessor, weil er sich Anregungen zur Erneuerung der - seiner Auffassung nach - erstarrten katholischen Theologie erhoffte.
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Tück, Jan-Heiner
Auf der Wiener Ringstraße vor dem Heldenplatz sind im Mai 2019 Bilder von Opfern des Dritten Reiches gezeigt worden. Die Wahl des Ortes für die Ausstellung «Gegen das Vergessen» war kein Zufall, der gedächtnispolitische Kontrapunkt gezielt gesetzt. Hier, wo Hitler nach dem «Anschluss» am 15. März 1938 seine Rede gehalten hat und von den Massen frenetisch bejubelt wurde, säumten vier Wochen lang zweiundsiebzig großformatige Porträts von Holocaust-Überlebenden die Straße. Der deutsch-italienische Photograph Luigi Toscano hatte die Installation gestaltet, der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte sie Anfang Mai mit einer nachdenklichen Rede eröffnet, er zeichnete als Schirmherr der Ausstellung. In der Nähe des Heldenplatzes, auf dem gigantische Reiterdenkmäler von Erzherzog Karl und Prinz Eugen prunken, die der militärischen Glorifizierung der Dynastie und dem ehrenden Gedenken der Feldherrnkunst dienen, wurden diesmal keine Heroen oder Strategen gezeigt.
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Fornet-Ponse, Thomas
Wer die Debatte über das Mission Manifest verfolgt, kann den Eindruck gewinnen, es stünden sich wissenschaftliche Theologie und «lehramtstreue» Initiatoren und Initiatorinnen des Manifests gegenüber. So wird einerseits das Manifest als «mehr oder weniger theologiefreie Zone»1 charakterisiert und eine Versektung der Kirche befürchtet2 und andererseits der Kritik vorgeworfen, die ihr zugrundeliegenden Auffassungen von Heil und Wahrheit basierten nicht auf Schrift, Tradition oder Lehramt.3 Eine solche Gegenüberstellung sollte indes insofern überraschen, als dass einerseits katholische Theologie-Professoren und -Professorinnen im offiziellen Auftrag der Kirche Theologie unterrichten und dazu die lehramtliche Bestätigung durch das «Nihil obstat» erhalten. Andererseits engagieren sich beim Mission Manifest verschiedene Personen, die Theologie nicht nur studiert oder darin promoviert haben, sondern auch gelehrt haben.
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Hartmann, Stefan
Der profilierte schwäbische Schriftsteller, Übersetzer, Essayist, Satiriker und Kulturphilosoph Theodor Haecker (1879-1945) ist im katholischen Deutschland fast vergessen, allein im Zusammenhang mit der von ihm mit beeinflussten Widerstandsbewegung «Weiße Rose» fällt gelegentlich sein Name. Er prägte teilweise die Texte der gegen das Nazi-Regime verteilten Flugblätter, besonders des vierten. Nach einer Begegnung mit Haecker schrieb Sophie Scholl am 7. Februar 1943, zwei Wochen vor ihrem Tod, an ihren Verlobten Fritz Hartnagel an der russischen Kriegsfront: «An Deinem Geburtstag [4. Februar] war Haecker bei uns. Das waren eindrucksvolle Stunden. Seine Worte fallen langsam wie Tropfen, die man schon vorher sich ansammeln sieht, und die in diese Erwartung hinein mit ganz besonderem Gewicht fallen. Er hat ein sehr stilles Gesicht, einen Blick, als sähe er nach innen. Es hat mich noch niemand so mit seinem Antlitz überzeugt wie er.»
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Gassmann, Michael
Über Beethoven zu sprechen - dies ist im Vorfeld des nahenden Beethoven-Jubiläums 2020 eine zunehmend beliebte Tätigkeit. Aber ist es auch eine Notwendigkeit über jenes Maß hinaus, das die immerwährende Bedeutung Beethovens als im Konzertleben omnipräsenter Komponist mit sich bringt? Wenn der Eindruck nicht täuscht, fällt es gerade jetzt nicht leicht, über Beethoven zu sprechen.
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Hake, Joachim
Augenblicke. Sie sind kurz, flüchtig, scheu und gelegentlich, jetzt und einst, unvergesslich: «Jetzt, da du das Gedächtnis verloren hast» und «Den Augenblick werde ich nie vergessen, ich denke, auch du warst / gerührt - wir schienen die ganze Welt zu sehen.» Wenn der Vater das Gedächtnis verliert, kann er sich nicht mit dem Gedächtnis des Sohnes erinnern und dem Sohn bleibt das Gedächtnis des Vaters verschlossen. Mein Gedächtnis ist mein Gedächtnis, ein Gedächtnis, das sich nicht für zwei erinnern kann. Und doch: der letzte Vers «Ich kann dir nicht helfen, ich habe nur ein Gedächtnis.» klingt wie ein ferner Trost, der einem Gedicht entspringt, das mit dem Geheimnis der Poesie gleichzeitig eine Erinnerung zu offenbaren scheint, die Vater und Sohn verbindet.
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