Unser tägliches Brot (1/2017)
Zaborowski, Holger
Das Vaterunser ist das wichtigste Gebet der Christen. Dieses christliche Ur- oder Grundgebet geht nämlich auf Jesus selbst zurück und verdeutlicht mit wenigen Worten, was im Zentrum des christlichen Glaubens steht. Die theologische Tiefe des Vaterunsers wird allerdings oft übersehen - vor allem deshalb, weil sein Text so bekannt ist und es so oft gebetet wird. Man wägt sich in der Sicherheit, die Worte dieses Gebetes gut zu kennen. In bestimmten Situationen kann die Vertrautheit mit diesem Text hilfreich sein.
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Nordhofen, Eckhard
Nur zwei der drei Synoptiker überliefern weitgehend übereinstimmend das Gebet Jesu. Da es bei Markus, der Hauptquelle von Lukas und Matthäus, fehlt, wird es Q, die zweite gemeinsame Quelle, gewesen sein, aus der die beiden geschöpft haben. Lukas überliefert den Anlass seiner Entstehung. Einer seiner Jünger bittet Jesus: «Herr lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat.» (Lk 11, 1) Der Jüngergemeinde, die dem Wüstenprediger Johannes folgte, hatte der Täufer ein Gebet übergeben, das offenbar ein Mittel war, sie als Gemeinschaft zusammenzuhalten und gleichzeitig seine Kerngedanken enthielt: ein Johannesgebet.
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Neuhaus, Gerd
Erstmals am 27.5.2015 hat Eckhard Nordhofen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die vierte Vaterunser-Bitte, die dem täglichen Brot gilt, einer so subtilen wie eindrucksvollen wortgeschichtlichen Analyse unterzogen. Deren Ergebnis lautet, diese Bitte sei gründlich missverstanden, wenn wir ihr die Auffassung unterlegten, schon «Jesus hätte [
] daran gedacht, dass wir immer etwas zu beißen haben». Vielmehr gehe es hier um «das himmlische Brot», in dessen Verzehr der Geist Jesu zu unserem Geist werde.
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Marion, Jean-Luc
Was meint die wirkliche Gegenwart (Realpräsenz) Christi in der Eucharistie, und was hat die eucharistische Anbetung damit zu tun? In den Auseinandersetzungen über die eucharistische Gegenwart und über den Ort der Eucharistie in der Liturgie und im Leben der Christen Auseinandersetzungen, die heute weitgehend der Vergangenheit angehören wurde öfters darauf hingewiesen, wie gefährlich es wäre, die Eucharistie unabhängig von der liturgischen Feier und von der feiernden Gemeinde zu betrachten. Das könnte dazu führen, die eucharistischen Gestalten zu einem heiligen «Ding», oder gar zu einer Art Idol zu machen. In der eucharistischen Anbetung liegt diese Gefahr besonders nahe; denn dort wird die konsekrierte Hostie unabhängig von der Messfeier für eine sozusagen zeitlose Verehrung «ausgesetzt».
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Gerl-Falkovitz, Hanna-Barbara
Im Fernsehen sollte vor Jahren ein Streitgespräch zwischen zwei bekannten deutschen Philosophen stattfinden, die im Blick auf Ethik zweifellos weit voneinander entfernt waren. Da beide zu früh im Studio waren, wurde ihnen etwas zu essen angeboten. Und siehe da, nachdem sie miteinander gegessen hatten, fiel das Streitgespräch weit weniger kämpferisch aus als medial erhofft. Ein tieferer als nur intellektueller Austausch war eingetreten: auf der Ebene des Menschlich-Abhängigen, des Leiblich-Bedürftigen. Man «tötet» den nicht mehr, mit dem man zuvor das Brot gebrochen hat. Allerdings gab es in einer entscheidenden Stunde einen Verräter, der die «Hand in die gemeinsame Schüssel tauchte»...
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Gabriel, Ingeborg
Die Bitte um das tägliche Brot und damit um die Grundlage des physischen Lebens und Überlebens war für Menschen immer und überall von existentieller Dringlichkeit. Ihr Ort im Vaterunser zeigt zudem, dass das Christentum keine Trennung von Spiritualität und Materialität, von Leben und Geist kennt. Beides ist für die menschliche Existenz in gleicher Weise notwendig und daher in das christliche Heilsverständnis einbezogen. Weder lebt der Mensch vom Brot allein, noch kann er ohne Brot leben. Eine entmaterialisierte Theologie, wie sie als Reaktion auf einen modernen Materialismus teils praktiziert wurde und wird, ist in ihrer Welt- und Lebensferne dem christlichen Glauben nicht gemäß.
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Overath, Angelika
Noch vor jedem Verstehen ist da der Sound. Binnenreime und Assonanzen überziehen die Verse mit einem Klangnetz, so dass der fehlende Endreim der Serbischen Trochäen gar nicht auffällt. Christine Lavant schlägt die alte Unmöglichkeitsformel der Liebenden an: «Wenn ich wär!» Und taucht mit dem Konjunktiv den Text weiter in eine musikalische Tönung: «wär», «Äpfel», «gäbe», «würde». «Ärgernisse» und «gern ertragen» nehmen in der Klangöffnung die «Haare» wieder auf.
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Gomringer, Nora
Die Schriftstellerin und Sprechkünstlerin Nora Gomringer war am 16. Juni 2016 zu Gast bei der Wiener Poetikdozentur «Literatur und Religion» mit dem Vortrag: Man siehts. Der Gott zwischen der Zeilen der Nora G. Mit diesem Titel war das Weiß zwischen den Zeilen als möglicher Platzhalter für «Gott» angezeigt. Im Anschluss an ihren Vortrag, der um das Gedächtnis, den Namen, das Herz, das Mitgefühl und vieles andere mehr kreiste, entspann sich das folgende Gespräch mit dem Theologen Jan-Heiner Tück.
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Söding, Thomas
Die neutestamentlichen Briefe an die Kolosser und Epheser, die von der Exegese meist einer Paulusschule zugerechnet werden, lösen in modernen Gesellschaften Empörung aus, weil sie die Unterordnung der Ehefrau unter ihren Mann lehren (Kol 3, 18; Eph 5, 22). Sie können aber auch Erstaunen auslösen, weil sie - soweit die Quellen sprechen als erste Texte die Ehemänner auffordern, ihre Frauen zu lieben und dabei den in der Bibel denkbar stärksten Begriff der Agape verwenden (Kol 3, 19; Eph 5, 25).
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Löser, Werner
Das ist neu: die Erinnerung an die Ereignisse, die vor einem halben Jahrtausend mit dem Namen Martin Luther und einigen anderen verbunden waren und als Reformation der Kirche bezeichnet werden, wird in bemerkenswertem Maße ökumenisch gemeinsam begangen. Dafür kann man nur dankbar sein. Es sollte darüber freilich nicht übersehen werden, dass es zwischen den Kirchen, die inzwischen in vielem aufeinander zugegangen und weitere Schritte aufeinanderzu zu setzen willens sind, weiterhin Differenzen gibt, die folgenreich und schmerzlich sind.
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