Weinen (2/2021)

Weinen

Mayer, Tobias

Das Weinen ist eine emotionale Ausdrucksform, die im ganzen Spektrum menschlicher Gefühle zu Hause ist, nicht nur in der Traurigkeit. Ein physiologisch alltägliches Phänomen, das gesteigerte Aussondern der Tränenflüssigkeit, ist zugleich Spiegel des Gemüts und zeigt ohne Worte, dass die Person emotional angerührt ist. Weinen ist dem Lachen, dem Lächeln und überhaupt der ganzen Mimik verwandt, sticht aber in besonderer Deutlichkeit hervor. Es ist sichtbarer und auffälliger als andere körperlichen Gefühlsausdrücke.

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Gottes Weinen

Bodenheimer, Alfred

In der hebräischen Bibel weint Gott nie. Wir erleben Gott fürsorglich, kriegerisch, wütend, barmherzig, sein Wort erfüllend, wir erleben ihn auch als sich aktiv zurückziehend und sogar reuevoll darüber, dass er die Menschheit geschaffen hat - aber nie in Tränen aufgelöst.

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«Das Klagen überlassen wir den Frauen» (Platon)

Weidemann, Hans-Ulrich

«Die homerischen Helden weinten noch wie die Frauen . erst in der klassischen Zeit tritt mehr und mehr das Modell eines Mannes hervor, der sich im Unterschied zur Frau in seinem Schmerz beherrscht.»1 Diesen geschlechtsspezifischen Unterschied beim Weinen hat Platon in seinem Dialog Phaidon zu Beginn einer der berühmtesten Sterbeszenen der Weltliteratur ausdrücklich in Szene gesetzt: Dort brechen die bei Sokrates verbliebenen Männer in Tränen aus, als er den tödlichen Schierlingsbecher geleert hatte.

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Gottgefällige Tränen

Görföl, Tibor

Johannes von Damaskus, der angeblich vollkommen unpersönliche, aber bis Thomas von Aquin, ja bis zum Reformationszeitalter unentbehrliche Vermittler der denkerischen Tradition der Kirchenväter, war gar nicht nur der sich verbergende Sammler patristischer Schätze, für den er oft gehalten wird. Johannes schreibt immer als Mönch, auch in seinem logischen Handbuch (Dialectica), wo er das menschliche Wissen gleich in der Einleitung als «Licht der vernünftigen Seele» beschreibt1, und dabei an alte monastische Traditionen anknüpft.

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«Und unter tausend heißen Tränen fühlt ich mir eine Welt entstehn»

Hartl, Johannes

Der Gott des Alten Testaments ist hochgradig emotional. Von Zorn (Ps 95,11) ebenso bewegt wie von aufloderndem Mitleid (Hos 11,8), liebender Leidenschaft und Freude (Zef 3,17) handelt er so, wie es seinem Herzen entspricht. Zugleich zeigt Gott sich in seinen Gefühlen ansprechbar durch den Menschen. Er lässt sich von Abraham umstimmen (Gen 18,32), durch tränenreiche Buße in Ninive erweichen (Jona 3,10), er hört das Weinen und sieht das Elend der Verlassenen (Gen 21,17). Jene, die es mit ihm zu tun haben, die ihn erfahren und zu ihm beten, tun dies ebenso auf höchst emotionale Weise. Dem Herrn wird gedient mit Jubel (Ps 100,2) und Zittern (Ps 2,11).

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«Ihr seht selbst, in welchem Elend wir sind ...» (Neh 2,17)

Fischer, Ingrid

Leid entfremdet: Menschen in materieller, physischer, psychischer oder geistlicher Not ziehen sich oft aus der Gemeinschaft zurück oder werden - im wörtlichen Sinn - umgangen. Ihr Klagen belastet, vor allem, wenn kein Trost in Sicht ist. Zudem ist zweifelhaft, ob Not tatsächlich beten lehrt. Bleibt die Erlösung aus, verstummt vielleicht auch die Klage - und der dünne Beziehungsfaden zu einem entfremdeten Gott droht zu reißen. Umso wichtiger sind gottesdienstliche Orte, um der Klage Einzelner und Vieler vor Gott und der Welt Gehör zu verschaffen.

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Wer ist das Volk?

Neuhaus, Gerd

Der Ende 2019 begonnene «Synodale Weg» schickt sich an, in der katholischen Kirche eine Entfremdung zwischen «oben» und «unten», zwischen römischem Lehramt und Kirchenvolk zu überwinden. Auch wenn dieser Prozess durch die Missbrauchskrise ausgelöst worden ist, hat besagte Entfremdung doch zumindest im deutschsprachigen Raum eine mehr als 50-jährige Geschichte. Sie begann mit der ausbleibenden Rezeption derjenigen Einstellung zur künstlichen Empfängnisverhütung, die Papst Paul VI. in den sechziger Jahren mit «Humanae vitae» formuliert hatte. Ihre einstweilige Fortsetzung fand sie in der Debatte um den «Holländischen Katechismus», dem Entzug der Lehrerlaubnis von Hans Küng und sehr viel später von Eugen Drewermann.1

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Gemeinsam am Tisch des Herrn - nur dort?

Buckenmaier, Achim

Das 2019 publizierte Votum «Gemeinsam am Tisch des Herrn»1 des renommierten, 1946 vom Paderborner Erzbischof Lorenz Kardinal Jaeger (1892-1975) und vom Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Wilhelm Stählin (1883-1975) initiierten «Ökumenischen Arbeitskreises» muss im Kontext des für Mai 2021 geplanten «. Ökumenischen Kirchentages» in Frankfurt am Main gelesen werden, den katholische und evangelische Kirche in Deutschland verantworten.

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Gast sein und Gott hereinbringen

Eckholt, Margit

Der von Papst Franziskus am 14. Oktober 2018 heiliggesprochene Erzbischof Oscar Arnulfo Romero hat in einer Predigt vom 20. Februar 1977 formuliert: «Schwestern und Brüder, der Dialog darf sich nicht dadurch auszeichnen, dass verteidigt wird, was man mitbringt. Der Dialog zeichnet sich durch Armut aus: arm hingehen, um zwischen den beiden die Wahrheit, die Lösung zu finden. Wenn die beiden Parteien eines Konflikts ihre Positionen nur verteidigen, werden sie (aus dem Dialog) herausgehen, wie sie hineingegangen sind.»1

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Gast sein und Gott hereinbringen

Schwab, Hans-Rüdiger

Ob wir uns Engel als eine Art himmlische Dadaisten vorzustellen haben? In einem der Texte seines neuen Buchs erweckt Christian Lehnert fast diesen Anschein. Indem er eine traditionelle Vorstellung abklopft, ist dort vom «Zungenlallen» und «ekstatischen Jubel» während des kultischen Diensts vor Gott die Rede. Wunderliche Lautgestalten treten dabei zutage: «Wort und Sache, Signifikat und Signifikant, Meinen und Verstehen implodieren zum reinen Ausdruck voraussetzungslosen Sprechens.» Die Vokabeln zerfallen, ihre Bedeutungen entgleiten, kurz...

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Gespräche über Bäume

Braun, Michael

An ihren Bäumen sollt ihr sie erkennen: Brecht ist, nach Goethe, der wohl produktivste, findigste, vielleicht sogar kundigste unter den deutschsprachigen Baum-Dichtern. In seiner Lyrik hat er die religiösen, die biblischen, die gesellschaftlichen, politischen und philosophischen Dimensionen von Bäumen gründlich abgegrast. Als einer der letzten enthusiastischen Naturdichter schwärmte er so sehr von Bäumen, dass er seinem Lieblings-, nämlich Pflaumenbaum einen Namen gab («Green») und respektvoll mit ihm redete; er siezte ihn 1926 in der Gedichtsammlung Hauspostille.

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