Digitalisierung und Kirche (3/2022)
Zaborowski, Holger
Die Digitalisierung gehört zu den viel diskutierten Themen der Gegenwart - nicht zuletzt nach der Corona-Pandemie. Kaum ein Lebensbereich ist von ihr nicht betroffen. Bis in den Alltag hinein wirkt sie sich aus: in der Politik, in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, in den Schulen, in der Verwaltung, in der Arbeitswelt, in den Medien, aber auch in vielfältiger Weise im Privaten. Oft bemerkt man gar nicht, wie sehr die Welt bereits digitalisiert ist. Fluch und Segen liegen dabei nahe beieinander. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten politischer und gesellschaftlicher Teilhabe und kann eine Vertiefung der Demokratie mit sich bringen.
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Hoff, Johannes
Als René Descartes in seinen 1644 publizierten Principia erklärte, er habe «die Erde und sogar die gesamte sichtbare Welt als Maschine beschrieben», formalisierte er die Leitlinien eines Weltbildes, dass uns bis auf den heutigen Tag in ungläubigem Staunen erstarren lässt. Selbst in unserem ethischen Urteil vertrauen wir kritiklos auf automatisierte Verfahren, Schemata und Regeln der Verhaltensnormierung, die unsere Leben «effizienter» oder «gerechter» zu organisieren erlauben. Als kultivierte Menschen wissen wir zwar, dass es unhöflich und sogar ungerecht ist, sich im Umgang mit anderen Menschen von mechanischen Denkschablonen leiten zu lassen.
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Plettscher, Stephan
«Selbst ein Autor mit so großer Phantasie wie Jules Verne konnte nicht ahnen, wie schnell die elektronische Technologie zu Informationsmedien führen würde». Selbst mitten im Prozess des kolossalen Umbruchs der Digitalisierung, in dem wir in allen Lebensbereichen stehen, scheinen sich die Konsequenzen dieses Prozesses noch nicht einmal erahnen zu lassen. Diese Auseinandersetzung soll allerdings kein Abgesang oder eine Verteufelung auf die technischen Errungenschaften der digitalen Welt darstellen. Vielmehr soll der Versuch unternommen werden, spezifische theologische Antworten auf die Fragen zu geben, die sich mit den Veränderungen des Digitalen für den Menschen ergeben. In Anbetracht der ungeheuren Nutzerzahlen, die in den unterschiedlichen sozialen Netzwerken tätig sind und dabei Unmengen von Daten produzieren, lässt sich bereits erkennen, dass es nicht darum gehen kann, den digitalen Fortschritt in irgendeiner Form aufzuhalten.
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Deeg, Alexander
In der Zeit 'vor Corona' gab es das Phänomen immer wieder einmal; aber kaum jemand diskutierte intensiv darüber: Die Feier des Abendmahls/Herrenmahls im digitalen Raum war angesichts der flächendeckenden Verfügbarkeit des Abendmahls in physischer Kopräsenz kein Thema, das allzu intensiv kirchlich oder praktisch-theologisch reflektiert wurde. Aber es gab Anlässe, aufgrund derer das Thema jedenfalls in kirchlichen Medien wahrgenommen wurde. So etwa, als im Jahr 2016 in dem von «BibelTV» ausgestrahlten Fernseh-/Internetgottesdienst «Stunde des Höchsten» mit Fernsehpfarrer Heiko Bräuning ein Gottesdienst mit Abendmahl gesendet wurde, in dem die Aufforderung an die Feiernden zuhause erfolgte, sich Brot und Wein bereitzustellen und so mitzufeiern.
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Kranemann, Benedikt
Die Corona-Pandemie hat ein Thema in die Diskussion gebracht, das zuvor in der deutschsprachigen liturgiewissenschaftlichen Debatte eher am Rande eine Rolle spielte: Liturgie im digitalen Raum, oder anders formuliert: die Digitalisierung der Liturgie. Eine solche Diskussion über das Streaming von Gottesdiensten u. Ä. in und nach der Pandemie war nach der umfangreichen wissenschaftlichen Debatte über Fernsehgottesdienste zu erwarten.
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Haslwanter, Elias
Am 28. Oktober 2021 kündigte Mark Zuckerberg die Umbenennung von Facebook in Meta an - kurz für metaverse. Seit Jahren wird intensiv an diesem Metaversum gearbeitet, der Begriff selbst wurde von Neal Stephenson in seinem Science-Fiction-Roman Snow Crash (1992) geprägt. Facebook/Meta nahm diese Entwicklung auf und möchte die nächste Generation des Internets maßgeblich vorantreiben. Nach der für die User eher passiven Startphase des Internets als Netzwerk zum Abrufen von Information, entwickelten sich ab den 2000er-Jahren zunehmend Möglichkeiten der Interaktion und Kollaboration (gerne subsumiert als «Web 2.0»). Während es bisweilen den Anschein hat, dass Kirche, Theologie und Liturgiewissenschaft noch mit dem Ausloten und der Reflexion dieser Möglichkeiten beschäftigt sind, wird bereits intensiv am nächsten großen Evolutionsschritt des Internets gearbeitet.
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Gassmann, Michael
Krisen sind Innovationstreiber, und so verhält es sich auch mit der Covid-19-Pandemie. Die Digitalisierung vieler Lebensbereiche erhielt einen deutlichen Schub. Mit besonderer Neugier wurden dabei auch die Auswirkungen beobachtet, die dieser Digitalisierungsschub auf das Kulturleben haben würde, auf die künstlerische Produktion, auf die Präsentationsformen von Kunst, auf die Vermittlung kultureller Themen und auf die Kommunikation der Kulturbetriebe mit dem Publikum.
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Bormann, Franz-Josef
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der nicht erst am 24. Februar 2022 begann, sondern mit der Annexion der Krim bereits 2014 einen ersten Höhepunkt erlebte, ist vielfach als 'Zäsur' bezeichnet worden. Eine solche Einschätzung verrät vermutlich weniger über den objektiven Gang der Ereignisse als über unsere - von vielfältigen Selbsttäuschungen, Fehleinschätzungen und Verdrängungen geprägte - subjektive Wahrnehmung derselben. Denn tatsächlich neu ist weder die Brutalität der russischen Kriegsführung, die mit der wahllosen Bombardierung ziviler Einrichtungen sowie der Misshandlung, Vergewaltigung und Folter von Nonkombattanten auf eine vollständige Missachtung des humanitären Kriegsvölkerrechts hinausläuft, noch die bizarre Propaganda, die mit einer Mischung aus dreisten Lügen, gezielter Desinformation und haarsträubender Geschichtsklitterung seit langem Teil der hybriden Kriegsführung Russlands ist.
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Außermair, Josef
Wenn die Ökumene ein Werk des dreieinigen Gottes ist, dann gehört es zum Wesen dieses menschgewordenen Gottes, dass er Menschen einlädt, dieses Handeln Gottes im Glauben zu bezeugen. Auch wenn der hl. Geist selbst die Ökumenische Bewegung angestoßen hat, so bedurfte es doch stets der Propheten, Vorläufer und Wegbereiter. Einer von ihnen war Paul Couturier, der entscheidende Grundlagen für die katholischen Prinzipien des Ökumenismus vorbereitete. Papst Benedikt XVI nannte ihn den «Vater des geistlichen Ökumenismus». Es ist leider noch immer eine Tatsache, dass sein ökumenisches Wirken und Vermächtnis - zumindest im deutschsprachigen Raum - weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Doch dies schmälert in keiner Weise sein Verdienst, im Gegenteil, es erhöht die Wichtigkeit einer Zuwendung zu diesem bescheidenen Priester, der ein unverzichtbarer Wegbereiter der Ökumene war.
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Siebenrock, Roman A.
Am Abend dieses Tages, da im ganzen Land Tirol mit den frohen und reichen Formen und Farben der Tradition Prozessionen gehalten wurden, sind auch wir hier zusammengekommen, um zu feiern und zu danken. Immer sucht unser Dank einen Adressaten und jedes Fest, wenn es Fest und nicht ablenkende Unterbrechung oder Zerstreuung ist, freut sich über das Wunder des Lebens und feiert jene Liebe, die allein der Grund eines Festes sein kann. In unseren Tagen aber, da vieles in Gesellschaft und Kirche fraglich geworden ist und wir auch in unserem Land ehrlich nach dem Sinn von Traditionen fragen müssen, scheint es nicht unangebracht zu sein, in einer Betrachtung jener Mitte des heutigen Festtages nachzuspüren, in der jene Liebe berührt wird, die heute zum Fest geworden ist. Was feiern wir, worüber freuen wir uns und warum danken wir, wenn wir Fronleichnam, oder wie das Fest im Lateinischen angemessener heißt, «Corpus Christi», feiern?
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Kiesel, Helmuth
Als der 1886 geborene Pfarrersohn Gottfried Benn sich 1913 veranlasst fühlte, seine geistige Entwicklung in Form eines autobiographischen und zugleich erzählerischen Essays zu reflektieren, charakterisierte er - unter dem Titel Heinrich Mann / Ein Untergang - die Atmosphäre, in welcher er aufgewachsen war, mit zwei knappen, aber gewichtigen Sätzen: «Früher in meinem Dorf wurde jedes Ding nur mit Gott oder dem Tod verknüpft und nie mit einer Irdischkeit. Da standen die Dinge fest auf ihrem Platze und reichten bis in das Herz der Erde.» Diese Bindung von allem und jedem an Gott kam Benn abhanden, als ihn in Form der Nietzsche-Lektüre und des Medizinstudiums «die Seuche der Erkenntnis schlug», wie er 1913 ebenfalls konstatierte. Diese Verlusterfahrung hat Benn 1943 mit dem Gedicht Verlorenes Ich noch einmal in zunächst dramatischer, am Ende aber elegischer Form reflektiert. In sechs Strophen häuft dieses bewegende Gedicht Verlust- und Vernichtungserfahrungen aufeinander, bevor es mit zwei letzten Strophen an eine andere Zeit erinnert.
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Tück, Jan-Heiner
Die Frage nach angemessenen Formen der Inkulturation des Evangeliums hat die Kirche in ihrer Geschichte immer wieder beschäftigt. Der Polemik Tertullians, was denn Athen mit Jerusalem zu tun habe, hat die alexandrinische Theologie eine dialogoffenere Haltung gegenübergestellt. Nicht nur im Überlieferungsstrom Jerusalems, auch in der Kultur und Dichtung Athens gebe es semina verbi, die auf das menschgewordene Wort in Jesus Christus vorausverweisen. Die Ausbreitung des Evangeliums durch die Mission der Kirche in die unterschiedlichen Länder und Kulturen ist gleichwohl nicht immer adressatengerecht gewesen und nach dem Modell der Anknüpfung im Widerspruch verlaufen. Immer wieder haben sich christliche Mission und koloniale Eroberungsinteressen auf unselige Weise verquickt - eine historische Hypothek des Christentums.
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